Fünf Mythen über hybrides Arbeiten und warum sie wichtig sind.

Zwei Expertinnen erläutern die häufigsten Irrtümer des hybriden Arbeitens und erklären, warum diese für Ihr Unternehmen von Bedeutung sind.

Lockdowns und Maßnahmen während der COVID-19 Pandemie haben die Art und Weise, wie wir gearbeitet haben stark eingeschränkt. Unsere Wohnungen wurden unsere Büros und alle Geschäftsvorgänge wurden über Zoom abgewickelt. Heute, zwei Jahre danach, zeigt der wandelnde Charakter der Pandemie, wie viele Möglichkeiten des „Wie-Wir-Arbeitens“ wir doch haben. 

In den letzten Monaten haben sich Unternehmen auf der ganzen Welt Gedanken darüber gemacht, wie sie ihre Produktivität steigern und die Vernetzung ihrer Teams bestmöglich organisieren können. Einige, wie Dropbox und Spotify, haben entschieden in Zukunft auf das Modell „remote“ zu setzen und weiterhin aus der Ferne zu arbeiten: das Ende der klassischen Büros. Andere Unternehmen, unter anderem Technologiegiganten wie Google und Apple, haben sich diesen Veränderungen bisher widersetzt und sind eher vorsichtig und zurückhaltend in Bezug auf Homeoffice oder Remote Work Modelle.  

Nicht selten liegt die beste Lösung in der Mitte beider Extreme. Hier finden Sie die fünf häufigsten Irrtümer und Mythen über hybrides Arbeiten im Team. Zusammen mit nützlichen Hinweisen, die Ihnen helfen, eine hybride Strategie zu entwickeln, die für Sie und Ihr Unternehmen funktioniert.

1. „Hybrides Arbeiten funktioniert nur in einem kleinen Unternehmen“.

„Falsch“, sagt Sim Riordan, kaufmännische Leiterin und Inklusions-Champion beim Spezialisten für Talentbewertung SHL. „Es kommt mehr auf die Unternehmenskultur als auf die Größe an“, sagt sie und nennt ihr eigenes Unternehmen als erfolgreiches Beispiel: „Ich beschäftige 1.500 Leute in meinem Unternehmen und es funktioniert sehr gut für uns. Die Einstellung und die entsprechende Akzeptanz seitens der Geschäftsleitung spielen eine wichtige Rolle. Die Frage ist: Was ist notwendig, um die Arbeit zu erledigen und um für diverse Mitarbeiter:innen attraktiv zu sein?“. 

Bina Briggs - Direktorin von Plain Talking HR, das kleinen und mittelständischen Unternehmen HR-Lösungen anbietet, empfiehlt das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen in den Mittelpunkt dieser Diskussionen zu stellen. „Manche freuen sich, wieder im Büro zu sitzen, andere nicht. Unternehmen müssen alle möglichen Sichtweisen berücksichtigen“, sagt sie. „Zum Glück verstehen heute immer mehr Unternehmen, dass das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen genauso wichtig ist wie Gewinn oder Umsatz“.

2. „Es ist unmöglich, aus der Ferne eine gesunde Bürokultur zu schaffen“.

Manchmal ist es schon schwer genug, mit Kolleg:innen im Büro zu kommunizieren, ganz zu schweigen von denen, die im Homeoffice oder remote arbeiten. Riordan und Briggs sind sich einig, dass es möglich ist, auch von zu Hause aus eine gesunde Betriebskultur aufzubauen. Vorausgesetzt, die Kommunikationskanäle sind sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens eindeutig festgelegt. 

Von den Unternehmen wird zusätzliche Kreativität verlangt, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu fördern. Riordan gibt als Beispiel an, dass SHL virtuelle Veranstaltungen organisiert hat, wie einen Cocktail-Abend mit Mixology Kurs. Zudem kann die verfügbare Technologie für bestimmte Arbeitsabläufe von großem Nutzen sein. „Wir haben unterschiedliche Arbeitsgruppen gebildet, die virtuell an verschiedenen Projekten arbeiteten. Die Technik war enorm hilfreich, um einen Raum der Zusammenarbeit zu schaffen, anstatt sich darauf zu verlassen, dass dies ganz natürlich im Büro passiert.“, sagt sie. 

 

3. „Flexibles Arbeiten senkt die Produktivität“ 

Laut Briggs kann dies nicht belegt werden: „In der Tat haben zahlreiche Unternehmen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, ihre Produktivität in den letzten 20 Monaten verdoppelt. Allen ist bewusst geworden, was sie erreichen können, wenn sie umdenken“. 
 
Riordan stellt fest, dass ihre Produktivität durch hybrides Arbeiten sogar gesteigert werde. „Wenn ich im Büro bin, sitze ich selten an meinem Schreibtisch“, erklärt sie. „Wenn man seine gesamte Networking-Arbeit an einem Tag erledigen kann, konzentriert man sich auf Ideen, Kreativität, die Verknüpfung verschiedener Teams und die Verbindung von Punkten in verschiedenen Funktionsbereichen. Das ist aus der Ferne nur sehr schwer umzusetzen. Wenn es hingegen um Denkprozesse und die Umsetzung geht, bin ich zu Hause viel produktiver. Es kann stressig sein, wenn man im Büro nicht in den gewünschten Rhythmus kommt und sich konzentrieren muss“. 
 
Riodran schätzt das Homeoffice als viel produktiver ein und achtet sehr darauf, dass das Team die Arbeit zum Feierabend auch zur Seite legt und nicht außerhalb der Arbeitszeit auf Nachrichten antwortet. „Es ist manchmal ein bisschen beunruhigend, dass ich sie daran erinnern muss“. 

4. „Flexibles Arbeiten kommt nur berufstätigen Familien zugute“. 

Für Riordan bedeutet flexibles Arbeiten, ein Umfeld zu schaffen, das mehr Menschen einen Zugang ermöglicht – ganz gleich, ob es sich hier um Eltern, Pflegepersonal oder Alleinerziehende handelt. „Flexibles Arbeiten fördert Diversität“, sagt sie. „Dies lässt uns über den Tellerrand hinaussehen. Dabei treffen wir auf die unterschiedlichsten Talente, ohne sich nur auf das Büroumfeld verlassen zu müssen. Zudem kann man Hobbies nachgehen, wie zum Beispiel Theaterbesuche oder Auftritte genießen, die vielleicht schon vor dem offiziellen Feierabend beginnen“. 
 
Wohlbefinden, so Briggs, steht auch hier an erster Stelle. „Dabei spielt es keine Rolle, ob man ein Elternteil ist oder sich um seine eigenen Eltern kümmert, es geht um das Wohlbefinden eines jeden Einzelnen“, sagt sie. „Betrachten Sie Ihre Mitarbeiter:innen als menschliche Wesen! Was tun Sie, um ihnen das Leben zu erleichtern?“ 

5. „Flexibles Arbeiten ist nicht von Dauer“ 

Die Pandemie hat uns gelehrt, dass wir nicht jeden Tag zehn Stunden ohne Pause am Schreibtisch sitzen müssen, stellt Briggs fest. 
 
Riordan stimmt dem zu, räumt aber ein, dass noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss, um Unternehmen von den Vorteilen eines solchen Arbeitsmodells zu überzeugen. „Die Pandemie hat viele Barrieren beseitigt und es uns ermöglicht, menschlicher zu denken und zu arbeiten. Dennoch gibt es immer noch Diskussionen darüber, ob sich die Abwesenheit im Büro auf die Aufstiegschancen auswirkt und wie man von seinem Vorgesetzten wahrgenommen wird“, sagt sie. 
Riordan ist der Meinung, dass Unternehmen, die diese Entwicklung nicht akzeptieren, den Anschluss versäumen. „Wir haben fünf Generationen an einem Arbeitsort, was natürlich unterschiedliche Erwartungen mit sich bringt. Es bietet aber auch die Chance, sich zu sagen: ‚Hey, wenn wir unsere Arbeitskultur nicht flexibler gestalten, werden wir nicht die besten Leute bekommen‘“. 

Helene Dancer ist Journalistin, Autorin und Filmemacherin und hat für CNN, den Guardian, Vice und die BBC gearbeitet.